DiCo - Digital Companion für die Pflege

Juliane Zirke Senior UX Designer

Sofie Kalinke UX Designer

22.03.2022 • minutes reading time

Neue digitale Technologien können Pflegenden den Arbeitsalltag erleichtern und Belastungen verringern. Aktuell werden diese aber häufig ohne geeignete Begleitprozesse angeschafft.

Die Folge: zu niedrige Akzeptanz fehlkonzipierter Technologien und ein als niedrig empfundener Nutzwert.

Das Forschungsprojekt DiCo setzt an diesen Herausforderungen an. Im Rahmen des Projektes wird ein digitales Assistenzsystem entwickelt, welches Pflegeeinrichtungen systematisch und bedarfsorientiert durch den digitalen Transformationsprozess führt.

1. Warum ist Digitalisierung in der Pflege wichtig und welche Hindernisse gibt es?

Ein gewöhnlicher Morgen in einem Pflegeheim in Deutschland: Die Pflegefachkraft dokumentiert auf ihrem Tablet den gesundheitlichen Zustand einer Bewohnerin. Zur gleichen Zeit bekommt sie eine Meldung auf ihrer Smartwatch: Ein Bewohner im Nachbarzimmer ist gestürzt! Ein Kollege eilt dem Mann zu Hilfe und sieht nach, ob alles in Ordnung ist. Anschliessend ruft der Pfleger einen Transportroboter, der dem Mann sein Frühstück bringt. Nach seinem Sturz will er heute lieber nicht im Speisesaal essen, sondern sich auf seinem Zimmer ein wenig ausruhen.

Der Einsatz solcher und anderer Technologien in der Pflege ist mittlerweile keine Utopie mehr. Allerdings steht der Einzug der Digitalisierung noch ganz am Anfang und viele Einrichtungen stellen sich die Frage: Wie können geeignete Technologien identifiziert und in die eigenen Arbeitsprozesse integriert werden?

Eine Umfrage mit 456 Personen aus dem Kontext Pflege zeigt auf, dass 30 Prozent der Befragten sich durch den Einsatz moderner Technik mehr Zeit für die Pflege und weniger Stress erwarten (Initiative Neue Qualität der Arbeit (2018, März)). Jedoch befürchten die Teilnehmenden auch in einem höheren Ausmass negative Folgen durch die Digitalisierung, wie beispielsweise Einsparungen von Personal und mehr (Leistungs-)Kontrollen. Diese Bedenken der Pflegekräfte fussen auf der Tatsache, dass die Entscheidung zur Anschaffung einer neuen Technologie oft impulsiv und von der Leitungsebene allein getroffen wird. Digitalisierung wird dabei auf einzelne Technologien reduziert und nicht als organisatorischer Transformationsprozess verstanden. Dabei werden die Auswirkungen der Technik auf Strukturen und Prozesse in der gesamten Organisation vernachlässigt und die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden nicht ausreichend gefördert.

2. Worum geht es beim Forschungsprojekt DiCo?

Im Forschungsprojekt „Digital Companion für intelligente Beratung und interaktive Erfahrung“ – kurz DiCo – geht es darum, diesen Problemen entgegenzutreten und Pflegeeinrichtungen bei einer systematischen und partizipativen Einführung neuer Technologien zu unterstützen. Ein KI-gesteuertes Assistenzsystem führt die Einrichtung durch die vier Phasen des digitalen Transformationsprozesses. In der Phase „Orientierung und Sensibilisierung“ werden die Mitarbeitenden für die digitale Transformation sensibilisiert und es wird eine Digitalisierungsstrategie entwickelt. In der Phase „Analyse und Planung" werden die Bedarfe der Einrichtung und ihre spezifischen Anforderungen analysiert. Basierend darauf schlägt DiCo dann geeignete Technologien vor und zeigt die Vor- und Nachteile sowie Schulungsbedarfe auf. In den letzten beiden Phasen unterstützt DiCo die Pflegeeinrichtung, die passenden Technologien einzuführen und anschliessend zu bewerten.

Illustration wie DiCo für mehr Zeit bei den Pflegekräften sorger: Vorher - gestresste Pflegekraft. Nachher - die Pflegekraft kann mit der Frau im Rollstuhl Scrabble spielen.
DiCo bietet Pflegeeinrichtungen einen langfristigen Mehrwert.

3. Welchen Mehrwert bringen User-centered Design-Prozesse und Methoden?

Zur Realisierung des DiCo haben sich Expert:innen aus den Bereichen Pflege, Arbeitswissenschaft, Telemedizin, künstliche Intelligenz und User Experience zusammengetan. Ergosign ist dabei verantwortlich für die Realisierung eines kollaborativen, mensch-zentrierten Entwicklungsansatzes sowie die Gestaltung der Benutzeroberfläche.

Logos der Konsortialpartner von DiCo: Ergosign, ITA, Bayerisches Rotes Kreuz, ddn, Ökumenische Sozialstation, ZTM, Saaleufer, Zana, Caritas
Die Konsortialpartner im DiCo-Forschungsprojekt.

Die Entwicklung des DiCo setzt eine enge Zusammenarbeit der Projektpartner voraus. In Scoping Workshops wurden daher zu Beginn des Projektes die zu lösende Aufgabenstellung diskutiert und Informationen zu den bestehenden Prozessen und den Nutzenden gesammelt. Für ein tiefgreifendes Verständnis zu den aktuellen Abläufen und Problemen haben wir im Anschluss Interviews mit Vertreter:innen aus den beteiligten Einrichtungen durchgeführt.

Customer Journey bei DiCo.
Die User Journey Map zeigt den Prozess bei der Einführung neuer Technologien in Pflegeeinrichtungen auf.

In den Pflegeeinrichtungen gibt es sehr grosse Unterschiede im Entwicklungsstand hinsichtlich der Digitalisierung. Folglich sollte DiCo kontextsensitiv auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer eingehen können.

Zudem zeigte sich, dass viele Nutzer:innen mit unterschiedlicher Technikaffinität, Denkweise und Ausstattung an den Prozessen beteiligt sind. Es ist also wichtig, dass DiCo unterschiedliche Rollen von Nutzer:innen berücksichtigt.

Persona bei DiCo: Pia Pflegepersonal
Persoana bei DiCo: Ian IT-Ansprechpartner
Zwei Beispiele für Personas, die zu Beginn des Projektes erstellt wurden.

DiCo soll also die Nutzenden und ihre individuellen Bedürfnisse verstehen und ihnen bei der digitalen Transformation beratend zur Seite stehen. Aber wie kann künstliche Intelligenz dabei konkret unterstützen? Um diese Frage zu beantworten, haben wir gemeinsam mit den Projektpartnern einen KI-Service-Blueprint-Workshop durchgeführt.

Der KI-Service-Blueprint dient als „Living Artefact“, in dem ersichtlich ist, welche Schritte die Nutzer:innen im DiCo durchlaufen und an welchen Stellen künstliche Intelligenz unterstützt.

Basierend auf dem Blueprint wurden auch die Anforderungen für das erste MVP (Minimum Viable Product), eine erste minimal funktionsfähige Iteration des DiCo, definiert. Im Verlauf des Projekts wird der Blueprint stetig weiterentwickelt und auch für die nachfolgenden MVPs als Referenz verwendet werden. Damit dient der KI-Service-Blueprint als Mittel zur Kommunikation des aktuellen Entwicklungsstands unter den Projektpartnern.

Service Blueprint bei DiCo.
Der KI-Service-Blueprint dient als Grundlage für die MVP-Definition.

In der ersten Version des MVP können sich die Pflegeeinrichtungen bereits mit strategischen Themen wie der Erstellung einer Vision für Digitalisierung in ihrer Einrichtung auseinandersetzen. Auch können sie eingeben, welche Bedarfe und Themen rund um Digitalisierung für sie aktuell am wichtigsten sind. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die nächsten Entwicklungsschritte.

4. Wie geht es weiter?

Das Forschungsprojekt läuft noch bis Mitte 2023 - wie geht es weiter? Diese Frage haben wir uns gemeinsam mit den Projektpartnern gestellt und in einem Workshop die nächsten Ziele definiert. Im nächsten DiCo-MVP sollen vor allem die künstliche Intelligenz sowie die Datenbank der Technologien, auf welche DiCo zugreifen wird, weiterentwickelt werden. Ein Chatbot soll die Pflegeeinrichtungen im Dialog unterstützen, die spezifischen Bedarfe in der eigenen Einrichtung zu identifizieren, und passende Technologien vorschlagen.

Die Weiterentwicklung des DiCo und die Entwicklung des Chatbots im Speziellen wird noch viele interessante Design-Fragen aufwerfen. Unsere UX Design-Expertise kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass der DiCo einen Mehrwert für die Pflegeeinrichtungen schafft, indem er durch Digitalisierung unterstützt, den Arbeitsalltag zu erleichtern, Belastungen zu reduzieren und eine hohe Qualität in der Pflege zu sichern.

Das Projekt steht noch am Anfang. Wir freuen uns schon darauf, euch zu berichten, wie es weiter gehen wird.

Weitere Informationen zu DiCo unter https://dico-pflege.de/.

Logo der Förderungen: Bundesminsterium für Arbeit und Sozials, INQA, Bauba

Zusatz: Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter dem Förderkennzeichen EXP.01.00002.20 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen.